Justizfarce

Fragiler Rechtsstaat

Von Anfang an haben der Flughafen und die politische Mehrheit aus SPÖ und ÖVP keinen Zweifel daran gelassen, dass „ihre“ Behörden und Gerichte das Projekt 3. Piste zu genehmigen haben. Dem ist die Niederösterreichische Landesregierung als UVP-Behörde auch nachgekommen. Sie hat am 10. Juli 2012 die Genehmigung für die dritte Piste erteilt – ohne Auflagen für den Betrieb.

Die Richter des Bundesverwaltungsgerichts haben jedoch Weitblick walten lassen und nach ernsthafter Würdigung der Sach- und Rechtslage und Einholung zusätzlicher Gutachten entschieden: Die Klimaschädlichkeit des Projektes ist derart massiv, dass das Projekt dem öffentlichen Interesse im Sinne des Luftfahrtgesetzes widerspricht. Die Richter haben sich bei der Prüfung des öffentlichen Interesses vom Bundesverfassungsgesetz Umweltschutz und von dessen Nachfolger, dem Bundesverfassungsgesetz Nachhaltigkeit sowie der bisherigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum öffentlichen Interesse im Sinne des Luftfahrtgesetzes leiten lassen.

Der Drei-Richter-Senat musste für dieses Erkenntnis wahre Schimpftiraden über sich ergehen lassen. Forderungen wurden laut, die Richter disziplinär zu bestrafen, von anonymer Seite wurde Strafanzeige erstattet.

In größter Eile (die der Verfassungsgerichtshof sonst nicht walten lässt) und in großkoalitionärem Gehorsam hat der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 29. Juni 2017 die Argumente des Bundesverwaltungsgerichts als Willkür bezeichnet und die österreichische Verfassung für die Umweltverträglichkeitsprüfung der 3. Piste beiseite gewischt – Verfassungsrecht sei nur dann relevant, wenn es im normalen Recht ebenfalls drinsteht. Das ist politisch gewollter Rechtsmissbrauch mit der Brechstange des VfGH!

Aus dem VfGH-Erkenntnis:

„Weder aus dem BVG Umweltschutz noch aus § 3 BVG Nachhaltigkeit ist ein absoluter Vorrang von Umweltschutzinteressen gegenüber anderen, der Verwaltung obliegenden Entscheidungsdeterminanten ableitbar. … Durch die genannte Staatszielbestimmung werden die zu berücksichtigenden Interessen nicht über den Kreis jener nach dem LFG [Luftfahrtgesetz] wahrzunehmenden Interessen hinaus und auch nicht der Bezugsrahmen von Emissionen oder Auswirkungen erweitert, die nach dem LFG zu untersuchen sind.“

Die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs hat in Fachkreisen heftige Kritik ausgelöst, so z.B. nachlesbar im Rechtspanorama der „Presse“ vom 3. Juli 2017.

Nun ist der Akt wieder genau bei jenen Richtern des Bundesverwaltungsgerichts, die viel über sich ergehen lassen mussten, obwohl die Häufung extremer Klimaereignisse in den letzten 20 Jahren zeigt, dass wir die Klimawende schaffen müssen und auch Österreich seinen Beitrag dazu wird leisten müssen.